Iran: Aufschwung und Unsicherheit
Mit Siebenmeilenstiefeln soll der Iran zurück in die globale Wirtschaft sprinten – doch die teils euphorischen Wachstumshoffnungen werden wohl auch ein paar Hemmschuhe kennen lernen Nachdem die Sanktionen gegen den Iran gelockert worden sind, steht das Land zweifellos vor einem Aufschwung. So rechnet die Regierung damit, jährlich mindestens 50 Milliarden Dollar an ausländischen Investitionen lukrieren zu können – 2014 waren es sanktionsbedingt nur 2,1 Milliarden Dollar. Auch die Analysten des Kreditversicherungsunternehmen Coface sehen die wirtschaftliche Zukunft des Iran in erster Linie positiv und erwarten ein reales Wachstum von 3,8 Prozent. Hauptverantwortlich für diesen Zuwachs dürften demnach die Öl- und Gasindustrie, der Transport, der Wohnungsbau und die städtische Infrastruktur werden.
Wo das Wachstum stecken bleiben könnte
Ob der erwartete Boom tatsächlich eintritt, hängt auch stark von den internen Strukturen ab. So favorisieren iranische Behörden erfahrungsgemäß eher eine vorsichtige Öffnung und einen graduellen Abbau der Handelsbarrieren. Neben einer starren Bürokratie könnte der fragile Bankensektor ein weiterer Hemmschuh für das Exportwachstum sein. Etwa wenn sich eine schnelle Öffnung für den Handel wie ein Schock auf die iranische Währung Rial auswirkt. Und eine reale Aufwertung der Währung wiederum die Binnengeschäfte negativ beeinflussen würde. Zusätzliche Dämpfer könnte die iranische Wirtschaft durch den gebremsten Welthandel, regionale Konflikte und den aktuell niedrigen Ölpreis erhalten. Wie der Spagat zwischen Chancen und Problemen konkret aussieht, zeigen zwei Analysen des Energie- und des Automobilmarktes, die das Kreditversicherungs-Unternehmen Coface jüngst erstellt hat.
Energie:
Zwar dürften die gelockerten Sanktionen zu einer Produktionssteigerung bei fossilen Brennstoffe führen, doch die schwachen Aussichten auf dem Ölmarkt dämpfen hier allzu optimistische Erwartungen. Laut Internationaler Energieagentur wird der Iran im laufenden Jahr über 3,1 Millionen Barrel pro Tag Rohöl produzieren, nächstes Jahr 3,6 Millionen Barrel. Den höheren Einnahmen stehen allerdings teure Investitionen in die Infrastruktur gegenüber. Zudem könnte es im derzeitigen Umfeld niedriger Ölpreise zu einer weiteren Verschärfung des Ungleichgewichts von Angebot und Nachfrage kommen.
Automobil:
Die Automobilindustrie trägt mehr als zehn Prozent zum BIP des Iran bei und wird einer der größten Nutznießer der Sanktionslockerung sein. Bei den Iranern sind internationale Marken sehr begehrt, weshalb westeuropäische Hersteller gute Voraussetzungen für den Markteintritt vorfinden dürften. Damit wird sich klarerweise aber auch die Wettbewerbssituation verschärfen. Wenn es beispielsweise europäischen Herstellern gelingt, Autos zu liefern, die günstiger und hochwertiger sind als die der chinesischen Konkurrenz, die in den letzten Jahren im Iran präsent war, werden deren Marktanteile ziemlich sicher einbrechen.