Kreditversicherung - Quo Vadis?

Peter Androsch im Interview mit "NEW BUSINESS Export", Ausgabe 01/2017:

Schutz vor Forderungsverlusten und laufende Überwachung von Kunden durch einen Kreditversicherer ist in vielen großen Unternehmen Österreichs tägliche betriebswirtschaftliche Praxis (ca. 30 Prozent aller B2B-Forderungen sind versichert). Aber ist das Mittel der Kreditversicherung auch zukünftig noch ein taugliches Instrument?

Wir haben dazu Peter Androsch, Geschäftsführer von A.C.I.C., Österreichs führendem Kreditversicherungsmakler, befragt:

Herr Androsch, das digitale Zeitalter macht Information für jedermann leicht verfügbar. Dies betrifft oftmals auch Finanzdaten von Unternehmen. Wozu braucht man noch eine Kreditversicherung?

Wenn die Kreditversicherung wieder die zentralen Aufgaben wahrnimmt, die sie eigentlich zu einem unverzichtbaren Instrument des Lieferanten gemacht hat, dann ist ihre Zukunft nicht in Frage gestellt. Im Zentrum der Kreditversicherung stand weniger die „Versicherung“ als die „Dienstleistung“ – also die Informationsrecherche, die Beurteilung deren Ergebnisse und eine transparente Entscheidung, die dem Lieferanten nicht nur erklärt, sondern auch mit diesem diskutiert wurde. Die Versicherungskomponente, also die Übertragung des Risikos der Zahlungsunfähigkeit mit all seinen Facetten, ist relativ einfach abbildbar, während eine umfassende Dienstleistung besondere Anforderungen an den Versicherer stellt. Am Ende des Tages sprechen wir von Kosten, die für den Versicherer entstehen. Es ist kostengünstiger auf strukturiert verfügbare Informationen zurückzugreifen, als die eigene Erfahrung, insbesondere bei Länder- und Branchenrisiken, zu kultivieren und – einer meiner wesentlichen Kritikpunkte – die Erfahrungen und Informationen des Lieferanten zu negieren. Die Errichtung eines „Monopols“ auf unternehmerische Wahrheit wird nicht funktionieren.

Ist diese Kritik an den Kreditversicherern neu?

Im von mir intendierten Ausmaß ist dies bedauerlicherweise eine sehr aktuelle Entwicklung. Trotz niedriger Schadensquoten sind manche Versicherer nur eingeschränkt bereit, „Digitalisierung“ neu zu denken. Die automatisierte Informationsverarbeitung ist ja bei Kreditversicherern nicht neu, sie steht aber mittlerweile dem Lieferanten über verschiedene Softwaresysteme offen, die auch dessen Datenbasis nutzen. Man könnte auch sagen, dass die Erhöhung der Automatisierungsgrade in den Beurteilungssystemen zwar zu einer deutlichen Beschleunigung der Entscheidungsprozesse geführt hat, dafür jedoch oftmals eine einseitige und undifferenzierte Darstellung der Bonität der Abnehmer und von Länder- und Branchenrisiken erfolgt. Darüber hinaus werden von manchen Versicherern diese restriktiven Entscheidungen nicht nachvollziehbar erklärt. Lieferanten sollen sich eine Beurteilung in der Tiefe und aus verschiedenen Perspektiven erwarten können. Das setzt aber wieder Investitionen in die personelle Basis und deren Entwicklung voraus. Um Daten in den Kontext des Lieferanten zu setzen, kommt man an Humanressourcen nicht vorbei.

Bleibt Kreditversicherung vor diesem Hintergrund ein notwendiges betriebswirtschaftliches Instrument?

Davon bin ich trotz aller Kritik sehr überzeugt. Der Auswahl, des zum Geschäftsmodell des Lieferanten optimal passenden Kreditversicherers, kommt jedoch besondere Bedeutung zu. Kreditversicherung ist am Ende des Tages keine Preisfrage, vielmehr ist die permanente Verbesserung des eigenen Kundenportfolios und damit die Verringerung der Ausfallswahrscheinlichkeiten das Ziel. Dazu benötigt man jedoch risikoaffine und verlässliche Partner, welche Entscheidungen auch unter Berücksichtigung der Erfahrungen des Lieferanten und unter Einbeziehung kommerzieller Überlegungen zu treffen imstande sind. Eine Übertragung der Risikobeurteilung auf den Standard einer bankmäßigen Kreditprüfung wird dem Charakter des Lieferantenkredits jedenfalls nicht gerecht.

Sie sprechen viel von Bonitätseinschätzungen. Eingangs erwähnten Sie die Möglichkeiten unserer Informationsgesellschaft. Warum soll ein Lieferant die Bonität der Abnehmer nicht selbst beurteilen?

Kreditversicherung habe ich bis jetzt ausschließlich aus dem Gesichtspunkt der Dienstleistung in Zusammenhang mit Beurteilung und Beobachtung erläutert, oder um es kurz zu sagen rund um das Wort „Kredit“. Im Begriff kommt jedoch auch „Versicherung“ vor, jene Leistung, welche der Lieferant nur mit größter Mühe selbst abbilden kann. Desto besser und effizienter das Kreditmanagement durch Lieferant und Kreditversicherer und Makler gemeinsam funktioniert, umso geringer in mittelfristiger Perspektive die Forderungsverluste. Zugleich bleibt jedoch das Risiko von Ausfällen bei Kunden, welche als nicht gefährdet gelten, weiter aufrecht und benötigt „klassischen“ Versicherungsschutz. Namen wie Parmalat, Lehman Brothers, Swissair, Konsum usw. galten bis kurz vor deren Pleite als unsinkbare Schiffe.

Welche Rolle kommt Ihnen als Makler zu?

Die, von Interessen der Versicherer unabhängige Interpretation des Geschäftsmodells des Lieferanten und der daraus abgeleiteten Erfordernisse eines optimalen Deckungsund Leistungskonzepts, samt dessen ständiger Beobachtung und Anpassung, ist die Kernaufgabe meines Unternehmens. Ergänzt wird dies um eine Evaluierung der bestehenden Prozesse des Credit Managements. Der optimale Einsatz von Kreditversicherung kann Unternehmen einen Mehrwert bieten, aber auch die eigenen Prozesse sollten kritisch hinterfragt werden. Dies leisten wir mit fünf hervorragend qualifizierten Beratern in ganz Österreich. Dabei stehen wir nicht nur österreichischen Großunternehmen, sondern auch KMU zur Verfügung und bieten Zugang zu allen Kreditversicherern in der Europäischen Union. Über unser Partnernetzwerk können wir eine lokale Betreuung unserer Kunden in 28 Ländern darstellen, den Zugang zu den lokalen Kreditversicherungsmärkten eingeschlossen.

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